Der Winter hat dazu geführt, dass ich mit meinem Blog ein wenig in Winterschlaf gegangen bin. Hinzu kam, dass wir für etwa 11 Wochen stationär waren, denn wir haben uns in Matauri Bay, am Rande der Bay of Islands, für eine Weile häuslich niedergelassen. Dort ist ein wunderschöner Campground, auf einer Landzunge zwischen zwei Stränden neben einem kleinen aber sehr steilen Hügel. Auf dem Hügel steht ein Denkmal für die Rainbow Warrior, das Greenpeace Schiff, das die Franzosen seinerzeit im Hafen von Auckland in die Luft gejagt haben und das dann in der Nähe von Matauri Bay endgültig versenkt wurde.
Auf dem Campground läuft ein Pferd frei herum, am Strand darf man Feuer machen, das ganze Gelände ist recht weitläufig und offen, hier macht es Spaß, zu verweilen. Da wir sehr viel Arbeit hatten, war auch ein ständiger Stromanschluss willkommen, außerdem hatten wir in der Region einiges an Rennereien, um ein neustes Visum zu beantragen. Wir mussten dafür einen kompletten Gesundheitscheck machen lassen, da wir demnächst über ein Jahr (!) in Neuseeland sind.
All das ist jetzt seit geraumer Zeit erledigt und inzwischen hat auch der Frühling Einzug gehalten - und mit dem Frühling kamen neue Idee, aber erstmal zurück zu unserer Zeit in Matauri Bay ...
Dieses Virus, das die Welt zur Zeit überall im Griff hat, hat für uns mehr und mehr eine Entschleunigung mit sich gebracht.
Zunächst waren wir gezwungen länger als geplant in Neuseeland zu bleiben, dann hat sich unser Reise-Rhythmus verlangsamt und schließlich sind wir gar vorübergehend sesshaft geworden.
Mit der Ruhe, die wir dadurch gefunden haben, durfte ein sehr spannender Prozess beginnen. Wir, die wir ein Leben lang Stadtmenschen waren, haben Schritt für Schritt unsere Ellbogen eingezogen - jene Ellbogen, die man in Berlin eigentlich zwangsläufig immer ausgefahren hat. Und wir haben die Mauern bröckeln lassen, die in so einem Großstadt-Moloch ein notwendiger Schutz sind. Wir sind immer mehr eingetaucht in das Kiwi-Leben, haben uns „entdeutscht“, wie wir es scherzhaft nennen. Denn wenn ein Kiwi dich an der Tankstelle fragt, wo du hinfährst, will er dir nichts Böses, sondern dich wahrscheinlich einladen, bei ihm vorbeizukommen. Die fast reflexartige Berlin-Reaktion ist: 'Ey, geht dich gar nichts an!' - autsch - ertappt ...
Wir haben uns also recht intensiv mit uns selbst und diesen Automatismen beschäftigt und uns so immer mehr aus unserem Berlin-Kokon hinausbegeben. Es lösen sich alte Muster und wir betreten neue Pfade.
Unterstützung haben wir bei zwei wundervollen Menschen gefunden, die wir in Matauri Bay kennen gelernt haben. Keith J. Mason alias „The Purple Guy“ und Storm King - beide sind wichtige Freunde geworden und begleiten seit geraumer Zeit unser Eintauchen in eine wiedergefundene Offenheit. Wer jetzt die Ohren spitzt und mehr über deren Arbeitsfeld erfahren möchte, findet sie bei Facebook.
Was das Schönste ist - wir fühlen uns inzwischen in Neuseeland regelrecht zu Hause.
Ich genieße es, mehr und mehr zu entdecken, wie stark ich mit der Natur verbunden bin, wie sehr ich die Elemente hier wahrnehme und in sie eintauchen mag.
Noch mitten im Winter habe ich angefangen, jeden Tag ins Meer zu gehen. Da hatte das Wasser noch stolze 13 Grad und die momentanen 18 Grad kommen mir jetzt vor wie eine Badewanne ...
Und apropos Elemente - die sind in diesem Land sehr mächtig!
Der Wind wird schnell zum Sturm - wenn es regnet schüttet es - im Meer bauschen sich gewaltige Wellen auf - es gibt heftigste Strömungen - die Erde meldet sich ständig zu Wort, denn das Land wird täglich von kleinen Beben erschüttert. Die nimmt man zwar kaum wahr, aber es kann auch jederzeit zu einem großen Beben kommen.
Dann sind da noch die unzähligen aktiven Vulkane, die Geysire und die heißen Quellen, die die Erdaktivität an die Oberfläche dringen lassen. Auch die Sonne hat eine große Intensität und nachts leuchtet über uns ein Sternenhimmel, der seinesgleichen sucht ...
Und was die Natur betrifft - ich bin ja schon immer ein Baum-Mensch gewesen - hier komme ich voll auf meine Kosten!
Mit Storm haben wir einen Ausflug zu einem der ältesten Kauri Bäume, die in Neuseeland noch zu finden sind, gemacht - dieser Baum trägt den Namen Tane Mahuta. Er ist etwa 2000 Jahre alt und einer der heiligen Kraftorte in der Maori Tradition. Selbst wenn man nicht unbedingt dafür empfänglich ist, kann man spüren, dass er schon viel gesehen hat und etwas sehr besonderes ausstrahlt!
Wir sind dann gemeinsam zu einem weiteren, für die Maori heiligen Ort gefahren - nach Arai-Te-Uru an der Spitze der Martins Bay, wo gewaltige Wellen auf das Land prallen, auch wenn man das auf dem Foto nicht erkennen kann. Hier konnte man wieder einmal sehen, dass es an der Westküste sehr viel rauer zugeht als an der Ostküste. Und wir haben uns daran erinnert, dass wir auf dem Weg nach New Plymouth seinerzeit mal weg von der unmittelbaren Küstenlinie ins Landesinnere geflüchtet sind - es war uns direkt am Wasser zu heftig.
Schließlich haben wir den Tag an den Wairere Boulders zu Ende gehen lassen. Dort führt ein Spazierweg vorbei an bizarren Steinformationen durch einen nahezu magischen Wald. Der Weg ist sehr liebevoll angelegt - auch wenn man hin und wieder Neuseeland-typisch ein bisschen kraxeln muss - und man kann tief in die Schönheit der Natur eintauchen.
Inzwischen hat sich für uns rund um Matauri Bay ein regelrechtes Netzwerk aufgetan, denn wir haben immer mehr supernette Leute kennengelernt. An den Wochenende ging es regelmäßig auf den Markt nach Kerikeri - Obst und Gemüse einkaufen und bei einem Deutschen, der vor fast 30 Jahren hier eingewandert ist, eine Bratwurst essen. Der Markt ist Treffpunkt für die ganze Region, immer spielt dort eine Band und bei einem leckeren Kaffee vertrödelt man gerne mit Freunden den Vormittag.
Tja, und wie soll es anders sein - Überraschung ...
In diesen Wochen ist ein Wunsch in uns herangereift, der Wunsch in diesem Land zu bleiben.
Natürlich wollen wir irgendwann - wenn die Welt es zulässt - auch wieder in einem größeren Radius reisen, Australien ist in der Warteschleife, aber wir würden gerne unseren Lebensmittelpunkt nach Neuseeland verlegen.
In diesem Sinne strecken wir jetzt unsere Fühler aus ... 😊
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Monne (Samstag, 31 Oktober 2020 08:28)
Eifersüchtig! ��
Doris (Samstag, 31 Oktober 2020 08:35)
Oh, so schön wieder von Dir zu hören, Spannendes zu lesen. Wenn ich die traumhaften Bilder sehe, die Ruhe, wilde Natur, kann ich verstehen, dass dieses Land Euch anzieht. Ein Besuch wird dann zwar ziemlich weit.
Umarmung
Herzlich Doris
Petra (Samstag, 31 Oktober 2020 08:56)
<3 <3 <3 alles, alles Liebe aus Kopenhagen
Elke Mattis (Samstag, 31 Oktober 2020 09:57)
Liebe Rike und Peer, es ist toll, wieder von Euch zu hören! Wir haben uns tatsächlich schon gefragt, wie es Euch geht und wo Ihr wohl gerade seid?! Danke für die einfach wunderschönen Fotos und danke für die unglaublichen Einblicke in Euer Neuseeland-Abenteuer! Das sind ja unfassbare Neuigkeiten, dass Ihr tatsächlich vorhabt, Euren Lebensmittelpunkt in NZ zu verbringen! Wow, wie toll! Wir sind schon sehr gespannt auf Eure weiteren Pläne und freuen uns jedes Mal sehr über eine weitere Nachricht von Euch! Wir wünschen Euch alles Liebe! Bleibt gesund! Und wer weiß, vielleicht kommen wir Euch ja dann irgendwann in NZ besuchen! Viele Grüße von Elke, Aron, Noah, Ella und Anna
Uwe Büschken (Samstag, 31 Oktober 2020 10:13)
Hallöchen!
Schön, wieder mal von Euch zu hören. Ich hab mich schon sehr auf Deinen Bericht gefreut.
LG Uwe
Dirk Stollberg (Samstag, 31 Oktober 2020 11:24)
Liebe Ulrike,
lieber Peer,
es ist wirklich schön auf diese Weise an euren Erfahrungen teilhaben zu können. Vielen Dank dafür. Das Thema Entschleunigung ist in der Tat sehr interessant und auch ich habe mich in den letzten Jahren damit beschäftigt – auch wenn ich dabei nicht so viel schöne Natur um mich hatte, wie ihr �
Ich und Michael wünschen euch weiterhin viel Freude und Erfolg bei der Umsetzung eurer Pläne.
Liebe Grüße und bleibt gesund
Michael & Dirk
Kerstin Reusch (Samstag, 31 Oktober 2020 11:31)
Liebe Rike,
das hört sich für mich richtig gut an. Und es war mir klar, nachdem ich die ersten Abschnitte gelesen habe. Wenn man einen so wunderschönen Ort "to stay" gefunden hat, dann sollte man sich den zum neuen Lebensmittelpunkt auswählen. Ja, Bäume und Meer, das ist auch meins. :-)
Cat (Samstag, 31 Oktober 2020 12:37)
Mein Herz hüpft mit Euch ❤️ Wunderbar !!! Genau richtig gelandet �� toll geschrieben Rike !!
Yvette aus Bern (Montag, 02 November 2020 02:54)
Liebe Rike,
ich wünsche Euch von Herzen das Allerbeste. Toll.
Möge Euch Liebe, Gesundheit und Glück begleiten.
Herzlichst Yvette, Coco & Lolo
Gabriela (Montag, 02 November 2020 05:13)
Sehr, sehr berührend! Habe Pipi in den Augen...
Seid ganz herzlich gegrüßt
Gabriela
Annette Sett Gjessing (Montag, 02 November 2020 20:43)
Hallo! Wunderbare Bilder og interessanter und schöner Bericht von den letzten Monaten! Danke.
Verstaendlich, dass Ihr dort gerne bleibt - es klingt und sieht traumhaft aus.....aber am wichtigsten ist wohl, dass Ihr nun auch Menschen um Euch habt, die Freunde geworden sind. Das gibt dem ganzen ja eine völlig andere Dimension :-). Wir folgen Euch weiter - es ist spannend!