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Ein Wal-Begräbnis

 

Nach den Unwetter-Tagen kam zaghaft die Sonne wieder raus. Wir hatten einen sehr schönen Standplatz an einem weitläufigen Strand gefunden, in der Bucht gegenüber der Coromandel Peninsula.

In der Ferne lag mit einer Boje gesichert irgendetwas Großes etwa 100 m vor dem Strand im Wasser.

Man konnte nicht sagen, was es war und wir rätselten zwischen gekentertem Boot und abgestürztem Klein-Flugzeug. Der Bereich war abgesperrt, es wuselten viele Offizielle mit Warnwesten herum und 2 Bagger waren im Einsatz, außerdem ein Abschleppwagen mit einer Winde.

 

Als wir näher kamen, konnten wir erkennen, dass das große milchig-weiße Etwas ein toter Wal war. - In Gesprächen mit DOC Mitarbeitern erfuhren wir näheres.

 

Der Wal, ein weibliches Tier, war aller Wahrscheinlichkeit nach an Altersschwäche eines natürlichen Todes gestorben. Es war ein Bryde Wal, der für gewöhnlich 13-15 m lang wird, dieser hatte jedoch eine Länge von 22 m, was für ein sehr altes Tier spricht.

Jedenfalls war der Wal vor zwei Tagen an der Küste vor Coromandel gesichtet worden, wo er auf einmal seitlich umgekippte und fortan mit dem Bauch nach oben im Wasser trieb - ihn hatte ein plötzlicher Tod ereilt. In der Nacht wurde er dann per Boot ans gegenüberliegende Ufer geschleppt, damit er dort beerdigt werden kann, auf einer Wiese an genau dem Strand, an dem wir gerade mit unserem Camper standen. Auf dieser Seite der Bucht sind im Laufe der letzten Jahrzehnte bereits einige Wale beerdigt worden. Die meisten waren gestrandet und hatten es nicht zurück ins offene Meer geschafft.

 

 

Im Folgenden beobachteten wir über Stunden, wie die beiden Bagger und der Abschleppwagen versuchten, den Wal, den sie inzwischen an Land gezogen hatten, weiter hoch auf die Wiese zu befördern - ohne Erfolg.

Dann durften wir in einer kleine Gruppe direkt zu dem toten Wal gehen. Hier war das Fotografieren verboten - aus Respekt vor dem toten Tier, das in Maori-Tradition wie ein Familienmitglied behandelt wird. Wir erfuhren, dass man noch im Wasser Gebete gesprochen und den Wal gesegnet hatte, und dass es bei Einbruch der Dunkelheit eine Begräbniszeremonie ortsansässiger Maori geben würde.

 

Aus der Nähe sah der Wal noch gigantischer aus. Er hatte an der Seite frische Wunden - Biss-Spuren von Haien, die das tote Tier als leichte Beute betrachtet hatten. In der Luft lag bereits ein Hauch von Verwesung, also haben wir uns nicht allzu lange dort aufgehalten.

 

Schließlich traf ein zweiter Abschleppwagen ein, deutlich größer als der erste. Mit 2 Seilwinden und einem der Bagger als Schubkraft gelang es nach und nach, den Wal auf die Wiese zu ziehen. Dort war bereits ein großes Loch gebuddelt worden. 

 

 

Als der Wal dann endlich neben seinem Grab lag, begann die Zeremonie, die wir aus der Ferne beobachten konnten.

Es wurde ein langes Gebet gesprochen, das fast wie eine Litanei klang, und am Ende schlitzte ein Mann mit einer Art Sense dem Wal den Bauch auf. Das geschieht, damit die Seele entweichen kann.

Die beiden Bagger schoben schließlich das riesige, etwa 35 Tonnen schwere Tier in sein Grab, um es anschließend mit Erde zu bedecken.

 



 

All das war sehr ergreifend und auf dem Weg zu unserem Camper wurde uns bewusst, dass das ein „once in a lifetime“ Erlebnis war. Sowas sieht man in der Tat nicht alle Tage. Und dass sich tagsüber irgendwann ein perfekter Regenbogen über die Szenerie gelegt hatte, verlieh allem noch eine ganz besondere Note …

 

 

Am nächsten Morgen zeugten nur noch die Spuren im Sand und der riesige Erdhaufen von der Bergungs- und Beerdigungs-Aktion. Aber die Wiese beherbergt jetzt einen toten Wal mehr ...

 

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Kommentare: 4
  • #1

    ReGina (bei Yashi) (Mittwoch, 08 Juli 2020 07:23)

    Ihr lieben Globetrotter,
    es ist ein Abenteuer am Schreibtisch, Eure Reise zu verfolgen und all`diese Erlebnisse mit Euch teilen zu können. Nicht immer (eher selten) ist Zeit und Gelegenheit, Euch mit ein paar Zeilen dafür zu danken, dass Ihr so vielen Menschen Gelegenheit gebt, Eure Tour zu verfolgen, an Eurem Leben Anteil zu nehmen.
    Doch diese Schilderung hat mich zutiefst berührt, mir Gänsehaut beschert. Danke, Danke, dass wir durch Euch so nah an diesem Ereignis dabei sein können, das zeigt: es gibt noch Achtung vor der Natur, Achtung vor allen Geschöpfen bis über den Tod hinaus. Sei dies Signal, inne zuhalten und dem Zauber allen Seins nachzuspüren.
    Ganz liebe Grüße aus Berlin (heute bewölkt und aufgefrischt mit Neigung zu Schauern)
    ReGIna

  • #2

    Nadja (Mittwoch, 08 Juli 2020 11:08)

    Wow! Wahnsinnig spannend. Und was für ein Bild, mit dem Regenbogen. Mystisch! Vielen Dank!

  • #3

    Silke (Sonntag, 12 Juli 2020 00:48)

    ...sehr beruhigend, dass die Walin offensichtlich schon eine alte Dame war, sie hat also vielleicht genug gelebt...., nichtsdestotrotz sind das das sehr bewegende Bilder..... und der Regenbogen, perfekt wie eine Brücke und wie ein Zeichen, dass alles gut ist...
    Alles Liebe für Euch!

  • #4

    Susanna (Montag, 10 August 2020 08:55)

    Hi ihr zwei Lieben, ich lese immer sooooo gerne eure Reiseberichte. Danke fur die Tagträume, die ihr mir in diesem Coronawahnsinn gewährt. Und das Walinbegräbnis berührend, ein ehrwürdiger Abschied ...... ich hab meine Mama zur selben Zeit verabschiedet. Busserl aus Wien von uns Harrers