Wir haben nicht lange überlegt - die Reise nach Stewart Island, auf Maori Rakiura, erschien uns als ein „Muss“!
Hier leben noch etwa 13.000 Kiwis und die Chance, einen in freier Wildbahn zu sehen, ist dementsprechend hoch. Stewart Island, das südlich der Südinsel liegt, wird manchmal als die dritte Insel Neuseelands bezeichnet. Viele Neuseeländer haben es auf ihrer Bucket List einmal hierher zu fahren, trotzdem schaffen es nur die wenigsten. Hier stößt man auf unberührte Natur. Außerhalb der kleinen Ortschaft Oban, die sich rund um die Halfmoon Bay erstreckt, gibt es keine Straßen, nur ein kleines Netz an Wanderwegen durchzieht die Insel. Also entweder man läuft oder man nimmt das Boot, trotzdem ist der Großteil der Insel unerreichbar und komplett wild.
Peer hatte für uns im Netz eine B&B aufgespürt und schon am Telefon wurde klar - wir hatten den besten Host gefunden, den man sich nur wünschen kann. Unser Zimmer hatte einen traumhaften Blick über die Bucht und wir wurden nach Strich und Faden verwöhnt.
Und gleich am ersten Abend gab es als i-Tüpfelchen einen Kiwi. Hier ist jetzt meine Erzählkunst gefragt, denn das, was wir erlebt haben, war unfotografierbar - wie so manches auf dieser ganz besonderen Insel.
Wir sind jedenfalls mit dem Schrei der hiesigen Kiwis auf dem Handy (von YouTube runtergeladen) und mit Rotlicht-Taschenlampen bewaffnet (Kiwis haben sehr empfindliche Augen) Richtung Strand aufgebrochen, kurz nachdem es richtig dunkel war, und natürlich hatten wir die nötige Geduld im Gepäck, die für alle Beobachtungen wilder Tiere nunmal erforderlich ist. Irgendwann raschelte es im Gebüsch und das auch noch ziemlich nahe. Da es in Neuseeland ja keine Gift- oder andere gefährliche Tiere gibt, konnten wir entspannt bleiben. Und plötzlich kam ein Kiwi im schummrigen Schein der Taschenlampe direkt auf uns zu! Er pickte zuerst Peer ganz vorsichtig in den rechten Schuh, dann mir, drehte eine Runde um uns herum und verschwand wieder, genauso plötzlich, wie er aufgetaucht war. Es war eine total mystische Begegnung. Beseelt sind wir zum Haus zurück gelaufen.
Am nächsten Morgen haben wir dann ein Inselchen noch weiter südlich besucht, Ulva Island, auf das einen eine kleine Fähre bringt. Bei strahlendem Sonnenschein hatten wir das Gefühl, im Paradies angekommen zu sein - und Ulva ist auch ein Paradies - ein Vogelparadies! Die Insel ist geschützt und frei von Räubern. Überall zwitscherte es, sowohl in den Bäumen als auch am Boden und immer mal wieder klang der Gesang wie ein sich nur leicht verändernder Loop.
Der Wald, durch den man spaziert, ist Primärwald und wirkt irgendwie verzaubert - hier wurde nie von Menschenhand eingegriffen. Hin und wieder öffnet sich das dichte Grün zum Ufer hin in eine malerische Bucht. In einer dieser Buchten lümmelte ein echt großer Seelöwe im Sand und versuchte zu schlafen. Da überrascht einen so ein Tier nicht, es ist in seiner natürlichen Umgebung. Was wir allerdings nicht erwartet hatten, war eine Seelöwen-Kuh mitten im dichten Wald zu sehen, die dort ebenfalls zu schlafen versuchte, bizarr und ebenfalls unfotografierbar ...
Damit war das Tages-Programm allerdings noch nicht zu Ende - es gab noch eine unvergessliche Party. Unser Host hatte Geburtstag und wir waren auf eine abendliche Bootsfahrt mit leckerem Essen und Champagner eingeladen. Ein Abstecher an Land führte uns zu einem riesigen alten Baum, auch ein magischer, verzauberter Ort. Trotz der zunehmenden Kälte sprang das Geburtstagskind dann irgendwann ins Wasser, das hier gerade mal noch 15 Grad hat - tapfer - und die Party ging im Haus weiter. Keine Ahnung, wie spät es wurde, der nächste Tag musste jedenfalls langsam angegangen werden.
Das Wetter war regnerisch und windig, was aber zu der Insel irgendwie gut passt. Ich stelle mir vor, dass es in Alaska ähnlich sein muss. Am Nachmittag haben wir dann einen Bootstrip zum Rakeahua River mit dem Wassertaxi gemacht, das zur Ulva Island Fähre gehört und diese bei zu starkem Seegang auch ersetzen kann (https://rakiura.nz). Das Wassertaxi ermöglicht einem aber auch Trips in jene Regionen der Insel, die man sonst nie zu Gesicht bekommen würde - wie eben diesen Flusslauf. Rakiura, ein sympathischer junger Mann, der den gleichen Namen trägt, wie die Insel und ein großes Wissen über Stewart Island und die Tierwelt hat, konnte für uns auch ein Geheimnis lüften, das uns ein paar Tage beschäftigt hatte. Warum nämlich auf Ulva Island, das doch eigentlich frei von Räubern sein soll, trotzdem Fallen aufgestellt wurden. Erstaunlich aber wahr - Ratten schwimmen die etwa 500 m von der Hauptinsel nach Ulva locker rüber. Die Vorstellung ist schon verrückt - da stürzen die sich ins Wasser und schwimmen los, ohne eine Ahnung zu haben, wo sie eigentlich ankommen, zumindest nach unserer Vorstellung ...
In der großen Bucht war noch ziemlicher Wellengang und wir wurden gut durchgeschüttelt, aber kaum hatten wir die Flussmündung erreicht, wurde es ruhig und wir tauchten in eine ganz besondere Atmosphäre ein. Sorry für die vielen Superlative, aber die Insel begeistert mich!
Der Rakeahua River schlängelte sich durch wolkenverhangene dicht bewaldete Hügel, ein Eldorado für Wanderer, für uns einfach nur toll anzusehen. Wir merken immer wieder, nach 10/12 km ist unser Akku alle, also lassen wir die sogenannten New Zealand Great Walks lieber aus, wir genießen unsere Zeit hier auch so!
Am nächsten Tag sind wir trotzdem losgelaufen ...
Die Nachbarbucht der Halfmoon Bay nennt sich ob ihrer Form Horseshoe Bay und auch hier findet man noch ein paar Häuser. Die beiden Buchten verbindet ein schöner Wanderweg, der direkt an der Küste entlang führt. Beschwingt sind wir losgelaufen. Es war extrem windig und immer wieder schweifte unser Blick in das dichte Blätterdach über uns sowie in die teils hohen Bäume neben uns - wir mussten uns versichern, ob denn bitte alles noch am rechten Platz sei.
Der Weg mochte sich nicht so recht entscheiden, ob es auf oder ab gehen sollte, und so kraxelten wir immer in Stück den Hügel hinauf um gleich wieder runter zu gehen, dann wieder rauf, dann runter und so weiter ... Ich muss sagen, vor meiner Kniebehandlung hätte ich schnell fluchend schlapp gemacht. Jetzt waren meine Knie am Ende des Weges zwar angestrengt, aber sie haben prima mitgespielt. Als unsere App uns dann 120 Stockwerke bestätigte, sind wir das letzte Stück zum Pub getrampt - das Bier hatten wir uns längst verdient.
Wieder am nächsten Tag wurde das Wetter noch unberechenbarer. Also haben wir uns zu einer Indoor Aktivität entschlossen. Auf der Insel lebt Dave, ein Bildhauer und Künstler, der unter anderem Teile des Sets der Herr der Ringe Trilogie gestaltet hat. Der bietet an, dass man sich unter seiner Anleitung Schmuckstücke aus neuseeländischer Jade fertigt. Nachdem er uns ein paar Möglichkeiten aufgezeigt hat, was man so als blutiger Laie zustande bringen kann, haben wir uns beide für ein Armband entschieden. Peer trägt jetzt je nach Betrachtungsweise einen Halbmond oder eine Halbmuschel am Handgelenk und ich ein Gebilde, das eine Welle, eine Flosse oder mit etwas Phantasie auch ein Delphin sein könnte. Bizarrerweise ähnelt es auch den Abzeichen vom Raumschiff Enterprise - da klopft wohl kurz mal die Vergangenheit an die Tür ...
Eigentlich wollten wir ja schon längst wieder auf dem „Festland“ sein, aber da die nächsten Gäste abgesagt hatten, sind wir eingeladen worden, doch noch ein bisschen auf Stewart Island zu bleiben. Das entwickele sich dann schnell zu einem Running Gag. Denn wir sind geblieben und geblieben und geblieben, die Insel wollte uns nicht mehr loslassen.
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Tim und Lena (Dienstag, 11 Februar 2020 11:41)
Jetzt haben wir wirklich das Gefühl etwas verpasst zu haben in NZ - hört sich wirklich toll an und die Bilder sagen alles.
Sabine (Mittwoch, 12 Februar 2020 06:21)
Also wenn ihr euch dort nieder laßt, ICH komme :-) !!!!!!!
Frauke (Samstag, 15 Februar 2020 23:30)
Ein Hoch auf die erfolgreiche Kniebehandlung! Allerliebste Grüße und weiterhin tolle Wanderungen, f
cat (Dienstag, 18 Februar 2020 18:12)
BEST!!!!
Annette Sett Gjessing (Dienstag, 10 März 2020 20:36)
Ich wäre....noch länger.... geblieben... :-)