Pläne sind dazu da, um umgeworfen zu werden ...
Das scheint zur Zeit unser Lebensmotto zu sein.
Eigentlich wollte ich an dieser Stelle unser neues Zuhause vorstellen.
Wir haben nämlich einen Camper gekauft, den wir im Herbst ans andere Ende der Welt verschiffen werden und den wir vorher auf einer größeren Europa-Runde auf Herz und Nieren testen wollen.
Jetzt kommt das nächste ‚eigentlich‘ - er sollte Anfang Juni fertig gebaut und abholbereit sein.
Fertig ist er auch - nur fehlte seit Wochen ein winziges Papier, ohne das wir aber keinen Fahrzeugbrief bekommen. Entnervt vom Warten haben wir dann die Flucht nach vorne angetreten. Sehr liebe Freunde von uns haben ein Haus in Salin de Giraud, einem ehemaligen Arbeiterdorf an der Rhône-Mündung am Rand der Camargue, nur 10 km von einem wunderbaren Strand entfernt. Wir sind also spontan nach Montpellier geflogen und wie es so ist - am nächsten Tag kam der Anruf, dass das Papier endlich eingetrudelt sei.
Jetzt hatten wir aber so lange gewartet, dass es auf 10 Tage mehr oder weniger auch nicht mehr ankam. Also haben wir uns in Salin eine schöne Zeit gemacht.
Der Ort wurde im 19. Jahrhundert für die Arbeiter auf der vorgelagerten Saline gegründet und ist - trotz seiner Nähe zum Meer - kein typischer Touristenort. Sehr sympathisch! Die Reihenhaus-Siedlung, zu der das Haus unserer Freunde gehört, war eine reine Arbeiter-Siedlung, deren belgischer Baustil für Südfrankreich recht untypisch ist. Die Saline selbst wird heute nur noch spärlich bewirtschaftet, aber der große Salzberg, an dem man auf dem Weg zum Strand vorbei fährt, ist schon sehr beeindruckend ...
Als Camargue wird das fruchtbare Schwemmland bezeichnet, das zwischen den beiden Rhône-Armen im Mündungsdelta liegt. Lagunen und Seen prägen die Landschaft, ein El Dorado für zahlreiche Vögel und dementsprechend auch für Ornithologen. Große Herden von rosa Flamingos sind - neben den berühmten weißen Wildpferden und den Stierherden - ein Wahrzeichen der Region. Tja, und hier gibt es tatsächlich noch echte Cowboys ... So richtig wild sind die Wildpferde aber heutzutage nicht mehr. Auch wenn sie sich frei bewegen - jedes Pferd hat einen Besitzer.
Nach dem halben Jahr Lateinamerika hat sich mein Französisch, das mal ganz passabel war, in irgendwelche hinteren Regionen meines Hirns zurückgezogen, wo es in Streik getreten ist. So ploppt spätestens nach 3 französischen Worten irgendwas spanisches aus meinem Mund und sorgt für Verwirrung. Das hat mir aber ein sehr interessantes Gespräch auf dem Markt in Port Saint Louis, dem auf der anderen Seite der Rhône gelegenen Nachbarort, eingebracht, den man mit der Fähre Bac du Bacarain erreicht. Eine nette Verkäuferin erklärte mir, dass es doch toll sei, überhaupt andere Sprachen zu sprechen und mich hier in Frankreich auf französisch unterhalten zu können. Sie meinte, dass ihre Landsleute, egal wo in der Welt sie sich gerade aufhalten, nur französisch sprechen. Und dass das ein großes Manko sei. Ich war erstaunt - hatte ich in Frankreich doch oft eine gewisse Arroganz und Hochnäsigkeit in Bezug auf die eigene Sprache vorgefunden. In einem Restaurant wiederholte sich diese Erfahrung ein paar Tage später. Auch hier scheint also etwas in Bewegung gekommen zu sein, die Erkenntnis, dass es durchaus wichtig ist, zum Beispiel englisch zu lernen.
Ein Ausflug hat uns auf die andere Seite des Rhône-Deltas geführt - nach Saint Maries de la Mer. Dort war es voll-voll-voll, so voll, dass wir nicht mal einen Parkplatz gefunden haben. Also sind wir nach Aigues-Mortes weitergezogen. Dieses mittelalterliche Städtchen ist von einer beeindruckenden, quadratischen Wehrmauer umgeben. Schießscharten ragen bis hinunter zum Boden, und von außen wirkt der Ort recht ungastlich. Im Innern tummeln sich aber auch hier Scharen von Touristen. Läden mit Frauenkleidern wechseln sich mit Andenkengeschäften ab, und wir beglückwünschen in Gedanken unsere Freunde, ihr Haus fernab dieses Rummels gefunden zu haben.
Fährt man entlang der Rhône ein Stück nach Norden, landet man in Arles, einer der hübschesten Städte in der Provence. Hier findet man noch Reste einer Arena sowie eines Theaters aus Römerzeit. Beeindruckend ist zum einen, dass damals riesige Sonnensegel die Besucher vor der Hitze geschützt haben und zum anderen, dass man im Mittelalter die Stadt in die Arena hinein gebaut hat, um deren Mauern als Festungswall zu nutzen. Heute sind sowohl das Theater als auch die Arena restauriert worden und werden für Veranstaltungen genutzt.
In Arles beginnt im Übrigen einer der Pilgerwege nach Santiago de Compostela. In der Kathedrale St-Trophime findet man die berühmt berüchtigte Muschel.
Kleine Anekdote am Rande ...
Wir sitzen am Strand, ein super cooler Typ checkt direkt neben uns die Wellen. Wir denken - klasse, jetzt können wir endlich mal einen Kite Surfer beim Einrichten seines Equipments aus nächster Nähe betrachten. Der coole Typ macht sich erstmal mit den Zähnen ein Bier auf und packt weiter aus. Wir wundern uns zunehmend, denn was da aus den Taschen kommt, sieht nicht nach Kite-Surfen aus.
Und tatsächlich - vor uns steht ein Angler, wenn auch ein super cooler Angler, der coolste Angler, den ich je gesehen habe ...
Es erfreut mich immer wieder, wenn der Inhalt nicht in die Schublade passt.
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