Von Bogotá aus sind wir nach Leticia geflogen, in die südlichste Stadt Kolumbiens direkt am Amazonas. Hier grenzen 3 Länder aneinander, die durch den gigantischen Fluss miteinander verbunden sind, Brasilien, Peru und Kolumbien. Richtige Passkontrollen gibt es nicht, Grenzübertritte sind fließend, genauso wie die Sprache. Auch in Brasilien wird hier als größter gemeinsamer Nenner Spanisch gesprochen.
Da die vielen unterschiedlichen Stämme der indigenen Bevölkerung von alters her jeweils ihre eigene Sprache haben, die auch kultiviert und in den Schulen gelehrt wird, dient das Spanisch (Castilian) der Kommunikation untereinander. Der Fluss ist die Lebensader, die die Dörfer miteinander verbindet. Straßen, die aus dem Dschungel herausführen, gibt es so gut wie gar nicht. Somit begreift sich die zum größten Teil indigene Bevölkerung als einer Region zugehörig -dem Amazonas- und nicht irgendeiner Nationalität.
Wir reisen ja immer gerne auf eigene Faust, aber hier habe ich uns eine Tour gebucht, instinktsicher (ohne es vorher zu wissen) eine Art Ökotour ... 😊
So sind wir gleich mit Gummistiefeln ausgerüstet im Gänsemarsch durch den recht matschigen Dschungel gewandert, um zu unserer ersten Unterkunft zu gelangen, zu einem Baumhaus in etwa 8 Metern Höhe. Ich hatte mir beim Buchen ein kleines Dorf aus mehreren Baumhäusern vorgestellt, aber nein, unser Baumhaus stand mutterseelenallein mitten im Dschungel ...
Wieder einmal meldete sich das Gefühl in der Magengegend, nicht am Ende der Nahrungskette zu stehen. Auf dem Weg zu unserer Behausung sind wir unter anderem an einer fetten Vogelspinne vorbeigekommen, die unser Guide damit kommentierte, dass man nach einem Biss so höllische Kopfschmerzen bekommet, dass man daran stirbt. Zumindest haben wir es so verstanden, aber da alle Guides, die wir auf der Tour hatten, mit uns spanisch gesprochen haben, wir aber mit vereinten Kräften nur etwa 70% verstanden haben, kann das auch ein Missverständnis gewesen sein. Später habe ich gegoogelt, dass Vogelspinnenbisse zwar verdammt eklig sind, aber nicht tödlich ...
Trotzdem haben sich sämtliche Horrorfilm-Regisseure kräftig im Regenwald bedient, um ihre Grusel-Szenarien zu bauen. Angefangen bei riesigen Anakondas, die sich angeblich auch mal kleine Kinder schnappen über Kaimane, die wohl auch gerne zuschnappen bis hin zu diversen hochgiftigen Schlangen, giftigen Frösche, giftigen Grillen (!), giftigen Spinnen und anderem kriechenden und krabbelnden Getier, ist hier alles dabei!
So war die Devise - bloß nichts anfassen, sich ja an keinem Baum festhalten, man weiß nie, was drauf sitzt.
In unserem Baumhaus angekommen, mussten wir erstmal verschnaufen und all die Eindrücke verdauen. Es war nach allen Seiten offen, nur mit Moskitonetzen versehen, in denen Fledermäuse hingen, aber es gab ein Klo und einen Kübel mit einer Dusche. Andächtig haben wir den Geräuschen um uns herum gelauscht und als es dann schließlich dunkel war, hat unser Guide uns zu einem nächtlichen Marsch durch den Dschungel abgeholt.
Die meisten Tiere sind nachtaktiv und im Schein der Taschenlampen haben wir noch mehr verdammt große Insekten und ähnliches Getier gesehen. Irgendwann haben wir nicht mehr gefragt, ob etwas giftig ist, offenbar ist im Dschungel so gut wie alles giftig, selbst manche Bäume und andere Pflanzen ... Nach einer guten Stunde sind wir dann an einem Gemeinschaftshaus angekommen, wo es Essen gab, anschließend ging es zurück, wieder quer durch den Dschungel, zu unserem Baumhaus.
Ganz ehrlich - ich habe in der Nacht nicht viel geschlafen, die Geräuschkulisse war überwältigend und in der Morgendämmerungen kam dann ein neues, gewaltiges Geräusch dazu - es hat wie aus Kübeln gegossen. Uns wurde bewusst, was es heißt, zur Regenzeit im Regenwald zu sein - gigantische Wassermassen prasseln vom Himmel nieder.
Zur verabredeten Zeit tauchte unser Guide wieder auf, immerhin mit einem Regenponcho für uns alle. Heroisch haben die 2 Männer den Poncho mir überlassen und wir sind wieder durch den Dschungel gewatet, diesmal im strömenden Regen, im Gemeinschaftshaus wurden wir dann mit einem leckeren Frühstück belohnt.
Und dann gab es sogar Regenponchos für uns beide 😉
Anschließend begann Teil 2 unserer Reise. In einer kleinen Gruppe sind wir per Boot den Amazonas flußaufwärts hochgefahren und haben auf dem Weg an verschiedenen Stationen Halt gemacht.
Wenn man den Hafen in Leticia verlässt, ist man Mitten im Dreiländereck. Links beginnt mit der Stadt Tabatinga flussabwärts der brasilianische Teil des Amazonas, das gegenüberliegende Ufer gehört zu Peru und nach rechts gehört der Fluss auf einer Länge von etwa 160 km zu Kolumbien.
Diese Bootsfahrt war zwar recht tourimäßig aufgezogen, aber der Guide war klasse (alle Guides gehörten zur indigenen Bevölkerung) und so haben wir trotzdem einiges Spannendes erfahren. Was mich zu hören erstaunt hat - die Frauen haben hier traditionell das Sagen. Der Dschungel ist Mutter Natur und Mutter Natur ist heilig. Frauen waren nie kriegerisch, sie sind das Zentrum der Familie, sie bestimmen den Alltag und halten alles zusammen.
Zu besichtigen gab es eine Farm mit zutraulichen Papageien, eine Insel, auf der Micos, (Totenkopfäffchen) auf uns herumgesprungen sind, (wir alle sahen danach aus wie Sau, da der Boden wie immer matschig war), mehrere indigene Dörfer (Pueblos) am Ufer des Amazonas sowie eine Naturstation.
Auf dem Rückweg haben wir dann tatsächlich die auf der Welt einzigartigen rosa Delphine gesehen. Sie sind deutlich größer als ihre grauen Artgenossen, die ebenfalls im Amazonas herum schwimmen und leben nicht in Gruppen, sondern zu zweit. Um die rosa Delphine ranken sich unterschiedliche Legenden - wir haben mehrere Variationen gehört, aber in jeder dieser Geschichten konnte der Delphin die Gestalt eines Mannes annehmen und hat sich mit einer Frau aus dem Stamm vermählt.
Leider ließen sich die rosa Delphine nicht fotografieren ...
Am Ende dieses Tages waren wir zur Abwechslung in einem stinknormalen Hotel untergebracht, aber am nächsten Tag gab es gleich wieder eine Übernachtung im Dschungel, diesmal in Peru.
Dazu mussten wir mit der öffentlichen Fähre in das Pueblo Puerto Alegria übersetzen, ohne Grenzkontrolle, nur unsere Passnummern wurden registriert. Am Anleger erwartete uns unser Guide für Teil 3 der Tour. Er brachte uns in eine Art Öko-Hostel mit einem größeren Schlafbereich sowie einem Gemeinschaftsbad, das samt der Toilette über einen Steg zu erreichen war. Da wir außerhalb jeder Saison unterwegs waren, waren wir die einzigen Gäste und hatten somit ein Zimmer für uns. Kaum angekommen, ging es auch gleich per Kanu wieder in den Dschungel. Tja, und hier habe ich schlapp gemacht ... Dank der Wucht der Eindrücke und des extrem feuchtheißen Klimas wollte mein System nicht mehr und mein Kreislauf ist Amok gelaufen. So haben wir (auch zu Peers Erleichterung) unsere 3 stündige Dschungelwanderung auf 1 ½ Stunden verkürzt. Dann hat uns der Regen zusätzlich eine Ruhepause verschafft und das Nachmittagsprogramm (Angeln im Amazonas) ist buchstäblich ins Wasser gefallen. Gegen Abend war es aber wieder trocken und wir konnten einen Spaziergang durch das Dorf machen.
In Puerto Alegria leben etwa 1.000 Leute. Es gibt eine Grund- und eine Oberschule, die Schulpflicht umfasst 11 Jahre. Die Lehrer wechseln jedes Jahr, so wird sowohl gewährleistet, dass die Schüler immer frischen Input bekommen, als auch, dass kein Lehrer auf einem Außenposten jahrelang versauert.
Es wird hauptsächlich Landwirtschaft betrieben, jedoch steigt der Amazonas zur Regenzeit immer so stark an, (der Wasserstand schwankt um über 10 m), dass mit Beginn der Trockenperiode im Mai alle Pflanzen neu angebaut werden müssen. Durch das feuchtheiße Klima wachsen sie jedoch so schnell, dass das kein Problem darstellt. Sämtliche Häuser stehen auf Pfählen und müssen spätestens alle 10 Jahre neu errichtet werden, da das Pfahlfundament mit jeder Überschwemmungen zur Regenzeit drastisch absinkt. Die Bauarbeiten werden gemeinschaftlich durchgeführt. Auf unsere Frage, ob auch hier etwas vom Klimawandel zu merken ist, lautete die Antwort ja. Die Regenfälle haben in den letzten Jahren spürbar zugenommen.
Nachdem wir der Dorfjugend beim Fußball spielen zugeguckt haben - alles kleine Könner - sind wir zu unserer Unterkunft zurückgekehrt. Inzwischen war es dunkel und die Geräusche des nächtlichen Dschungels waren wieder um uns herum. Wir durften lernen, wie sich Vogelspinnen anhören, es saßen offenbar einige in unmittelbarer Nähe. In dem Moment habe ich beschlossen, alles daran zu setzen, nachts ja nicht aufs Klo zu müssen. Es ist mir geglückt und ich habe in der wunderbaren Geräuschkulisse geschlafen, wie ein Baby ...
Katholische Kirche in Puerto Alegria
Am nächsten Morgen sind wir nach Leticia zurückgekehrt und schon gab es Teil 4 unserer Tour, einen Besuch in einem Ökologischen Botanischen Garten. Dort haben wir einiges über die Heilpflanzen des Dschungel erfahren, auch, dass es in jedem Pueblo Kräuterkundige gibt, die mit den Heilpflanzen umzugehen wissen. In dem Garten standen außerdem 3 traditionelle Hütten. Das Haus hat für die Bevölkerung des Amazonas eine Seele. Im Sinne des ewigen Kreislaufs des Lebens, betritt man es zur einen Tür und verlässt es zu einer anderen. Im Haus befinden sich 4 Stützpfeiler, sie repräsentieren die 4 Elemente - Erde, Feuer, Luft und Wasser. Außerdem findet man dort zwei große Holztrommeln, die noch in weiter Ferne gehört werden können und der Kommunikation zwischen den Dörfern dienen.
Krönung des Tages war dann ein Besuch im nahen Pueblo, wo wir ein spirituelles Teaching vom Stammesältesten erhalten haben. Soweit wir es verstehen konnten - er hat leider sehr genuschelt - hat er über die Elemente gesprochen, den Dschungel als Herz der Region und den Amazonas als ihre Lunge, als grüne Lunge der Welt. Es ging um den Kosmos, die Wiedergeburt, die Seele, die allem innewohnt und darum, dass alles richtig ist und gut ... Auch wenn uns vieles entgangen ist - die Atmosphäre konnten wir aufsaugen. Fotos durften wir nicht machen.
Die Nacht haben wir dann wieder im Hotel verbracht. Am nächsten Tag, kurz vor unserem Rückflug, haben wir noch einen kleinen Spaziergang nach Brasilien gemacht. Wir konnten es nicht lassen, dort eine echten Caipirinha zu trinken, dann haben wir uns vom Amazonas verabschiedet.
Die Tage waren aufregend, aufwühlend, voller Eindrücke, ich kann es noch nicht fassen, aber irgendwas ist dort in mir passiert. Mit jeder Reise gucke ich über meinen Tellerrand und das verändert ...
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Doreen (Sonntag, 23 Dezember 2018 09:27)
Sehr aufregende Eindrücke und ich kann dir nur beipflichten wir sollten mit der Natur leben und nicht immer gegen SIE !
Bleibt Gesund!
Sabine Walkenbach (Sonntag, 23 Dezember 2018 09:39)
Ich kann nur sagen: WOW !
Mariola (Sonntag, 23 Dezember 2018 20:00)
Spannend und aufregend wie immer.
Frohe Weihnachten �
Dagmar (Samstag, 12 Januar 2019 21:07)
Ich erlebe meine Reise vor 2 Jahren in deinem Blog erneut.....und die Reiselust wächst. DANKE.
Annette (Montag, 21 Januar 2019 12:18)
Dein Bericht liest sich wie ein Märchen ... aus der Wirklichkeit...! Einfach fantastisch, was Ihr erlebt. Es muss unglaublich intensiv sein, fast überwältigend, alles so dicht auf einander. Aber durch diesen tollen und detaillierten Blog, habt Ihr ja ein wunderbares Tagebuch, und könnt später alles in Ruhe mehrmals "erleben", und darüber reflektieren.